Über Fichten – Wandern im Böhmerwald

In Prášily steht, auf der Dorfstraße in Richtung des Lackenberges, ein Stück Kunst. Ein paar schmale Zaunlatten halten dort Schilder mit Zitaten, zum einen vom Schriftsteller Josef Váchal aus den 30er Jahren, zum anderen vom derzeitigen Leiter des Tschechischen Touristenvereins. Beide beziehen sich auf den Umgang mit den dortigen Wäldern, der eine plädiert dafür, die Natur sich selbst zu überlassen, der andere für Eingriffe, für tourismusförderlichen Ausbau samt Notrufstationen und allem Pipapo. Die üblichen Positionen, aber deswegen gleich ein selbstgezimmertes Mahnmal?

Pfeil entgegen der Leserichtung: Jan Stráskýs Position scheint der Erbauer für wenig vorausschauend zu halten.

Klar scheint nur: Der Böhmerwald hat ein Problem. Oder eigentlich mehrere. Zum einen ist er fichtenlastig (denn Fichten wachsen schnell und ließen sich hervorragend nutzen, darum hat man sie hier im 18.jhd massenweise gepflanzt), zum anderen lieben Borkenkäfer Fichten (und sind darum massenweise dort eingefallen).

 

 

 

 

 

 

Hier waren Borkenkäfer. Mehr Insektenkunde nach dem Klick.

Wenn man also heute von Prasily aus auf den Lackenberg, in Richtung Auerhahnschutzgebiet wandert, stößt man immer wieder auf große Flächen gespenstischer, umgestürzter, vertrockneter Fichten, die es mitsamt ihrer Wurzeln hingestreckt hat.
Dazwischen schwarze Boxen, Fallen für Borkenkäfer, laut Beschriftung aber ausdrücklich ohne Verwendung irgendwelcher Gifte. Auf den ersten Blick sieht das gar nicht gut aus, auf den zweiten bemerkten wir aber, dass auf den dicken Wurzel- und Erdscheiben allerlei neues wächst – von spektakulären Flechten und Moosen bis zu Blaubeerbüschchen und sehr lebendig aussehenden Jungfichten.

Kaum stürzt eine Fichte um, schon machen sich Nachmieter breit – Mooslandschaft auf Wurzelscheibe.

Diese Flächen wechseln sich dann auch immer mit dichtem und anscheinend gesundem Fichten- und Buchenwald ab (so dicht, dass Mitte Mai noch vereinzelte Schneehaufen herumlagen), durch die entzückende kleine Bächlein fließen, an denen winzige Eidechsen wohnen.
Die ganze Gegend wechselt permanent zwischen Märchenwald und Endzeitszenario. Vom Gipfel aus, der einen spektakulären Blick auf die umliegenden, mehr oder weniger bewaldeten Berge bietet und offensichtlich Luchsrevier ist (wir fanden zwar nur ein Büschel Winterfell, schließen aber Schneehasen und Mountain Lions als Quelle aus) gibt es zum Beispiel einen Weg zum idyllischen Laka-See. Der allerdings führt durch eine Gegend, in der man auch die Flucht der letzten Überlebenden nach der großen Zombieepidemie samt Atomkrieg drehen könnte. Es lohnt sich trotzdem – oder wie wir fanden: Gerade deswegen.
Allerdings sollte man beachten, dass manche der Wege im Frühsommer der brütenden Auerhähne zuliebe gesperrt sind. Ob sich im Herbst dann mehr Touristen und Wanderer in die Gegend verirren, können wir nicht einschätzen: auf unserer Wanderung zumindest, immerhin über eine Strecke von stolzen 18km, sind wir nicht einem anderen Menschen begegnet.

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